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Dann holen wir halt eine Polin

02.03.2015

Ingeborg Haffert, Buchautorin und ARD Journalistin, diskutiert an der BBS des Landkreises mit angehenden Altenpflegern über ihr Buch „Eine Polin für Oma“

Die „Überalterung“ der Gesellschaft, Pflegenotstand, Arbeits- und Lebensbedingungen in Alten- und Pflegeheimen, Organisation häuslicher Pflege, eine möglicher Um- und Ausbau der Pflegeversicherung: Stichworte, die die sozialpolitische und gesellschaftliche Diskussion in Deutschland seit geraumer Zeit nachhaltig bestimmen und prägen.

 

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Um eine weithin bekannte Tatsache machen viele der an der Diskussion Beteiligten allerdings einen weiten Bogen:
Die Beschäftigung von bis zu 500.000 osteuropäischer, vor allem polnischer Pflegekräfte in deutschen Haushalten.  
Diese Thematik behandelt die Journalistin und Buchautorin Ingeborg Haffert in ihrem Buch: „Eine Polin für Oma“
Haffert, geb. 1960, ist Redakteurin und Reporterin beim ARD Morgenmagazin und war zuvor in der WDR Wirtschaftsredaktion und im ARD Studio Brüssel tätig.
Sie beleuchtet in ihrem Buch die bisweilen problematische Situation von Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen aus Sicht der Pflegebedürftigen, der Angehörigen, vor allem aber aus der Perspektive der überwiegend polnischen Pflegekräfte.
Im Februar nun war Ingeborg Haffert auf Einladung von Studiendirektor Georg Frie zu Gast in der Fachschule Altenpflege (FS.Alt 13a) der BBS des Landkreises. Frie und die angehenden Altenpfleger hatten im Vorfeld Auszüge des Buches im Unterricht gelesen und waren nun gespannt, die eigenen während der Ausbildung gemachten Erfahrungen, den Recherchen und Erkenntnissen der Autorin gegenüberzustellen.

Bevor sich Haffert jedoch den Fragen der Schülerinnen und Schüler und der damit verbundenen Diskussion ihrer Thesen stellte, ließ sie es sich nicht nehmen von der Entstehung ihres Buches, ihren Recherchen sowie von ihren Interviews und interessanten Erlebnissen mit den Betroffenen zu berichten.
Dabei verwies sie vor allem auf den Umstand, das die Thematik „Einsatz polnischer Pflegkräfte in deutschen Familien“ zwar weithin bekannt, aber in den Medien und damit in der Öffentlichkeit dennoch wenig präsent ist. Und dies wegen oder trotz der Notlage, die die familiäre Pflegeproblematik für alle Betroffenen mit sich bringt.
Der Autorin gelingt es dabei in beeindruckender Weise die Komplexität der Thematik strukturiert und kompakt darzustellen: Angehörige, die schnell Entlastung für sich bzw. Pflege für ihre Angehörigen benötigen, Pflegebedürftige, die Hilfe brauchen, um zu Hause bleiben zu können, statt ins Heim zu ziehen, Polinnen, die durch die Arbeit in Deutschland wesentlich mehr Geld verdienen als in ihrer Heimat. Dabei rückt immer wieder ein besonderer Schwerpunkt ihres Buches ins Zentrum der Aufmerksamkeit, die zum Teil nachgerade unmenschlichen Arbeitsbedingungen polnischer Pflegekräfte in Deutschland.
Was zunächst wie eine „win-win Situation“ auszusehen scheint - die polnischen Pflegekräfte verdienen mehr als in ihrer Heimat und sind für deutsche Verhältnisse vergleichsweise billig - entpuppe sich nämlich, wie Haffert erklärt, bei näherem Hinsehen als eine Situation, in der vor allem  die ausländischen Pflegekräfte einen hohen Preis zahlten:
„Die polnischen Hilfskräfte fehlen zu Hause, sie sind oft Monate lang fern der Heimat, sehen ihre eigenen Kinder kaum, die im besten Falle bei ihren Großeltern aufwachsen. Auch sind sie nicht in der Lage für ihre eventuell eigenen pflegebedürftigen Familienangehörige adäquat zu sorgen.“
Auch, so führt die Autorin weiter aus, bewegten sich die Beschäftigungsformen bzw. die Arbeitsverträge der Vermittlungsagenturen nicht selten in einer rechtlichen Grauzone.
Haffert berichtet von Kompetenzgerangel am Pflegebett zwischen deutschen Pflegefachkräften und polnischen Hilfskräften

Auf Grund fehlender oder mangelhafter fachlicher Ausbildung leiden die osteuropäischen Pflegerinnen in hohem Maße unter der hohen pflegerischen Verantwortung, die ihnen von den Agenturen bzw. den deutschen Angehörigen aufgebürdet werde.
Dass die Ausführungen der Autorin immer wieder von Nachfragen und kommentierenden Äußerungen seitens der Altenpflege-SchülerInnen unterbrochen werden, verwundert in diesem Zusammenhang kaum, im Gegenteil: Haffert ermuntert die Schülerinnen ihre eigenen Erfahrungen einzubringen und von ihren eigenen Erlebnissen bei der Zusammenarbeit mit polnischen Hilfskräften zu berichten. Dabei kommen auch die spezifischen Probleme dieser Zusammenarbeit zur Sprache.
Haffert rät, solche Anstellungsformen zu wählen, bei der die Pflege auf mehrere Schultern verteilt werde. Die Polinnen allein könnten dies nicht auf menschenwürdige Weise leisten. Der Einbezug von Familie, Nachbarn, Freunden sie gleichsam die „conditio sine qua non“ für eine menschenwürdige Pflege, die allen, auch dem ausländischen Pflegepersonal Rechnung trage.
Hilfen und Tipps zur fairen Gestaltung der Zusammenarbeit mit osteuropäischen Pflegekräften, böten, so die Autorin, u.a. die Agenturen fairCare  und Caritas24.

Abschließend bestärkt Haffert die Auszubildenden in ihrer besonderen Verantwortung gegenüber Familien, die sich mit dem Gedanken tragen, polnische Kräfte im eigenen Haushalt einzustellen. Es komme auf eine ehrliche Zusammenarbeit aller zum Wohle des Patienten an. Mit einem Kompetenzgerangel am Pflegebett sei letztlich niemandem gedient.
Zurück bleibt eine Schülerschar, bei der die Ausführungen Hafferts nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben. Eine Schülerin bringt es auf den Punkt: „Der Besuch von Frau Haffert war bis jetzt mit Sicherheit einer der Höhepunkte unserer Ausbildung.“ Dem schließt sich Georg Frie gerne an und bedankt sich im Namen der Schüler und der Schulleitung bei der Autorin für ihren spannenden und lehrreichen Besuch. Er schließt mit dem Satz: Wir hoffen Sie auch in den kommenden Jahren das ein oder an der Mal hier an der BBS begrüßen zu können. Sie sind jederzeit herzlich Willkommen! Ob Ingeborg Haffert da „Nein“ sagen kann.

Georg Frie, Michael Sauer-Beus für BBS-Pressedienst

 

 

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